Archives Mai 2022

Tag 3: Freitag

Der weite Weg zur Probebühne des Theater an der Ruhr wird durch den Podcast sehr unterhaltsam gestaltet: Josefine Rose Habermehl interviewt heute das Labor I aus Mülheim und die Positronen, die von ihren Stücken und ihrem Arbeitsprozessen berichten.

Am Ort des Geschehens angekommen geht es dann sofort auf die Bühne zu “fünf nach zwölf?!” von Labor I. Die fünf Spieler*innen machen aus dem Kampf gegen die Klimakatastrophe eine kurzweilige Improshow. Erst sehen wir, wie es so oft abläuft: Endlose Pakete fluten die Wohnung, weil das Shirt dann doch nochmal eine Nummer größer bestellt werden muss. Oder das Licht wird ununterbrochen an und wieder ausgeknipst, weil man sich nicht zwischen Gemütlichkeit und Sparsamkeit entscheiden kann. Die Spieler*innen holen dann den Helden “Nobody” zu Hilfe, der spontane, improvisierte Lösungen findet – und das Publikum darf sogar mitbestimmen, wie das Problem angegangen wird! Das Labor I schafft es, dem schweren Thema Klimawandel mit Leichtigkeit und Humor zu begegnen, so dass man den Saal mit guter Laune verlässt.

Nach kurzer Verschnaufpause geht es wieder in die Workshops. Im Regie-Workshop wird gemeinsam ein Stück gelesen, um anschließend darüber zu sprechen, wie man es inszenieren könnte. Unterdessen geht es bei den Einkaufszettel-Biographien heute auf eine andere Art in die Tiefe: Die Teilnehmer*innen probieren sich heute auch körperlich mit den erschaffenen Figuren aus. Körperlich geht es natürlich auch beim Physical Dialog und dem zeitgenössischen Tanz zu: Die Choreographien für das Abschluss-Showing wollen geprobt werden! Die Bühnenbild-Modelle und die vibrierenden Roboter bekommen ihren letzten Schliff (und die Roboter auch endlich ihre Namen!), während bei den Lichtgraffiti-Künstler*innen ein magisches Bild nach dem anderen entsteht. Zur Stärkung stehen jederzeit reichlich Falafel-Wraps bereit!

Das Showing zum Abschluss der Workshops sorgt für gute Stimmung: Nachdem man einige Stunden vor sich hin gearbeitet hat, sehen wir nun die Choreographien und erschaffenen Objekte der anderen. Es ist immer wieder erstaunlich wie viel schönes und erstaunliches in so kurzer Zeit erschaffen werden kann! Die UnruhR-Gemeinschaft spendet sich gegenseitig den wohlverdienten Applaus.

Anschließend geht es wieder in Straßen- und U-bahnen, die uns zum Schauspiel Essen befördern: Dort zaubern die Positronen ihr Stück “Klingt fast wie Sterne”. In der fantasievollen Geschichte finden sich Planeten in den Körpern von menschlichen Erdbewohner*innen wieder. Wie sollen sie da nur wieder herauskommen? Bei dem Versuch wieder Planeten zu werden, lernen sie einiges über die Erde und ihre Bewohner: Ihre Sprachen, ihre Musik, aber auch ihre Probleme. Die Menschheit ist gerade dabei ihrem Heimatplaneten massiv zu schaden. Die sechs Spieler*innen finden eine poetische Lösung, die das Publikum in friedvoller Stimmung aus dem Theatersaal entlässt.

Dann geht es in das schöne Café des Schauspiels Essen. Neben dem Chili sin Carne werden dort schon ein paar Fragen serviert, die nochmal zum Nachdenken über die Stücke anregen. Zum Gespräch geht es für die beiden Ensemble dann aufs Podium, wo stilecht ein Mikrofon herumgereicht wird. War das wirklich improvisiert? Wie seid ihr denn auf die Idee mit den Planeten gekommen? Welcher Song war das? Das Publikum darf die Künstler*innen mit Fragen löchern – und umgekehrt. 

Auf Discord empfängt Sarah Kranenpoot zum Abschluss des Tages noch Vorleser*innen in ihrer Stücke Ecke. In Lena Goreliks “Als die Welt rückwärts gehen lernte” geht es um Normen und was sie mit uns machen.

Tag 2: Donnerstag

Auch Tag zwei beginnt mit einer spannenden Podcast-Folge: Zu Gast sind die Jugendclubs #Zwischenwelten, die Spieler*innen von “Mädchen wie die” und die ECOisten. Das Gespräch wird tiefsinnig und macht große Lust auf die Theatervorstellungen, die vor uns liegen!

Das erste Stück des Tages ist “Die Welt wird eine andere gewesen sein”. Die Spieler*innen des Clubs #Zwischenwelten wagen einen Blick in die Zukunft und schauen zugleich auf die letzten beiden Jahre zurück. Mit Mut, Verletzlichkeit, Fantasie und Spielfreude zeigen die Spieler*innen dem Publikum ihre emotionale Szenencollage, die einiges zu bieten hat: Sehr persönliche Monologe und Songs, Improvisationen und Geschichten. In kurzer Zeit schaffen es die Spieler*innen mit Leichtigkeit in die Tiefe zu tauchen – vielen Dank, dass ihr uns mitgenommen habt. 

Danach geht’s mit dem Zug zum KJT Dortmund: Dort starten gleich die vielfältigen Workshops: Auf der Bühne und draußen werden Physical Theatre und Bewegungs-Methoden ausprobiert, während an einem Tisch Charaktere mithilfe von Einkaufszetteln entwickelt werden. In der ersten Etage gibt es Unmengen an Bastelmaterial: Zum einen werden Roboter gebaut, die sich wackelnd und zappelnd und malend fortbewegen. Zum anderen bekommen im Raum des Bühnenbild-Workshops kleine Modell-Figuren ihre eigenen kleinen Bühnen. Im Keller dagegen geht es beim Regie-Workshop um die Feinheiten bei z.B. einer Bauprobe: Nicht nur die Technik will gelernt sein, sondern auch der Umgang mit den Techniker*innen. Auch die Theaterpädagog*innen sind beschäftigt: In ihrem Profi-Workshop können sie sich in Ruhe über ihre Erfahrungen und Arbeitsweisen austauschen – natürlich mit reichlich Kaffee. 

Anschließend geht es dann zu “Mädchen wie die” auf die Probebühne. Die Spieler*innen des Jugendclubs zeigen uns ihre Werkschau, die aber schon sehr gut ausgestattet ist: Kostüme und das auf vielfältige Art bespielbare Bühnenbild passen vollkommen zur Geschichte, in der eine Schulklasse beginnt, ein Mädchen aus ihrer Mitte zu mobben, da ein Nacktfoto von ihr in Social Media verbreitet wurde. Den Darsteller*innen gelingt eine schwierige Balance: Einerseits zeigen sie eine gnadenlose Gehässigkeit, auf der anderen Seite wird auch immer wieder sichtbar woher sie kommt: Unsicherheit, Angst und der gesellschaftliche Druck dem Mädchen ausgesetzt sind. Das Stück regt zu vielen Fragen an, z.B. wie man selbst gegen den Druck einer Gruppe Widerstand leisten kann.

Und schon wird die Reise fortgesetzt! Auf dem Weg zum Schauspiel Dortmund werden die UnruhR-Sticker großzügig verteilt und sobald auch nur kurz Leerlauf entsteht, wird der UnruhR-Schlachtruf angestimmt. Kurz vor dem Einlass werden dann noch spontan ein paar Warm-Up-Spiele gespielt. Dann geht es aber auch schon los: Die ECOisten zeigen uns “No planet B – The silence afterwards.” In der Stückentwicklung haben sich die Spieler*innen mit der schwierigen Frage beschäftigt, wie mit dem Problem des Klimawandels umzugehen ist. Auf der Bühne werden die Rollen rasch gewechselt: Mal blicken Menschen aus der Zukunft auf das Jahr 2022 zurück und sind froh, dass der Klimawandel abgewendet werden konnte. Dann blicken wir in eine Dystopie, in der es klare Herrscher gibt, die die niederen Klassen unterdrücken. Das Stück hüpft von Szenario zu Szenario und endet mit einem Appell, die Hoffnung nicht aufzugeben: Gemeinsam mit unseren Freund*innen können wir es schaffen die Katastrophe abzuwenden, wenn wir uns alle genügend dafür einsetzen. Wenn wir alle so viel Tatkraft wie die Spieler*innen beweisen, glaube ich auch daran!

Die Nachgespräche finden dann wieder draußen statt. Auf dem Hof des Schauspiels Dortmund ist für jeden der Jugendclubs des Tages ein Feld abgeklebt: Darin dürfen die Darsteller*innen ihr Publikum zum Stück befragen: Konntet ihr euch mit bestimmten Szenen identifizieren? Geht man eher hoffnungsvoll oder hoffnungslos aus dem Stück? Habt ihr auch schon mal Peer Pressure erlebt? 

Nach so viel geistiger Nahrung tut das Abendessen mit veganer Nahrung dann doppelt gut. Und so endet zumindest der analoge Teil des Tages und nach und nach machen sich die Gruppen auf den Heimweg. Im Discord wird im Nachtcafé dann noch ein bisschen weiter getratscht.

Tag1: Mittwoch

Die erste Kontakt-Aufnahme des Festivals mit seinen Besucher*innen ist die freundliche Begrüßungs-Mail am Morgen, die nochmal den genauen Tagesplan enthält, sowie der unruhRige Podcast von Josefine Rose Habermehl. Dort sind heute Sarah Wessels, die Archivarin des UnruhR-Festivals zu Gast sowie das UnruhRgebiet und die Gruppe mashup X vom Theater Oberhausen. Die Clubs erzählen von ihren Arbeitsprozessen und den Herausforderungen, die sie dabei meistern mussten.

Reges Treiben herrscht dann nachmittags im Innenhof des Theaters Oberhausen: Nach und nach (manche mit zug-bedingter Verspätung) trudeln alle Jugendclubs ein. Und es gibt auch sofort einiges zu tun! Gleich links kann man sich ein T-Shirt per Siebdruck dekorieren lassen, damit das große UnruhR-R unübersehbar darauf prangt. Mit den Textilstiften aus den Festivalbeuteln kann man dann außerdem die Unterschriften der anderen Teilnehmer*innen sammeln oder das Shirt nach Herzenslust bemalen. Die Button-Maschine wird auch gut genutzt: Nun sind alle mit Namensschildern ausgestattet. Neben den eigenen Smartphone-Kameras liegt auch eine Polaroid-Kamera bereit mit der einige Selfies und Gruppenfotos gemacht werden. Von den ECOisten aus Dortmund (die am Donnerstag auftreten werden) liegt auch das „Gästebuch der Erde“ aus, in dem man sich verewigen kann.

Anschließend geht es dann zum etwas offizielleren Teil über: Was wäre eine Festival-Eröffnung ohne Reden? Anke Weingarten moderiert das Ganze und die erste Rede kommt vom Intendanten des Theaters Oberhausen, Florian Fiedler. Er hält ein Plädoyer für „Darstellendes Spiel“ als verpflichtendes Schulfach und freut sich umso mehr, dass so viele Jugendliche von sich aus Theater spielen wollen. Per Videobotschaft ist dann die Festival-Gründerin Martina Droste dabei, für die das Festival ein Ort ist, um Grenzen einzureißen, damit viele verschiedene Menschen einen gemeinsamen Raum finden können. Bernhard Deutsch, ein weiterer Festival-Gründer, erzählt dann von den Hürden, die das Festival nehmen musste, um weiter bestehen zu können und lobt die Weiterentwicklung, die UnruhR gerade in den letzten zwei Jahren durchlebt hat. Mit der Festivalleitung Josephine Raschke wurde zum Schluss dann noch ausgiebig der Festival-Schlachtruf geübt!

Und schon wird das erste Stück gezeigt: Das UnruhRgebiet präsentiert „Alle meine sieben Sachen“. Zunächst sagen die drei Spielerinnen nichts: Für sie sprechen Audio-Aufnahmen, die von Verlusten und Erinnerungen erzählen – trotzdem geht es auch wild zu: Die zahllosen Koffer auf der Bühne sollen versteigert werden! Dabei gehört doch einer davon einer Spielerin! Warum der Koffer so wichtig ist, erfahren wir später: Durch einen Szenerie-Wechsel sind wir plötzlich bei der Aufnahme eines Podcast dabei: Eine FSJlerin erzählt von ihrer Arbeit mit Demenz-Kranken. So verstehen wir im Nachhinein, dass wir zu Beginn des Stücks bei den Erinnerungen zweier an Demenz erkrankter Menschen dabei waren.

Aus dem Hof duftet uns danach schon das Abendessen entgegen: Penne mit vegetarischer Bolognese und Gemüse. Gestärkt geht es dann wieder zurück in den Saal: Mashup X zeigt einen Zwischenstand ihres Stücks „Ungewohnt/Gewohnt“, das am 9.6.2022 auf der Probebühne 2 des Theater Oberhausen Premiere feiern wird. Vier Figuren wohnen zusammen – obwohl sie sich alle nicht ganz grün sind: Da sind die zurückgezogene Philosophie-Studentin, die Polizei-Anwärterin mit Aggressions-Problemen, die alkoholkranke Weinliebhaberin und die geschiedene Frau mit Putzfimmel. Ständig wird gemeckert und gezankt – bis der erzwungene Auszug vor der Tür steht. Sie raufen sich zusammen – ob sie aber weiter zusammen wohnen werden oder getrennte Wege gehen erfahren wir wohl erst bei der Premiere. Alles Gute und viel Erfolg dafür!

Zum Nachgespräch bleibt das Publikum zwar weiter im Saal, bewegt sich aber durch den Raum: Es werden einige Ja-Nein-Fragen gestellt und je nachdem, ob man bejahen oder verneinen will, stellt man sich auf die eine oder andere Seite des Raumes. Manche Fragen werden fast einstimmig beantwortet, während andere das Publikum eher spalten. Die Fragen und Antworten können als gute Anregung für die Gespräche in den kommenden Tagen dienen! Nach und nach verlassen die Teilnehmer*innen dann das Theater, um sich per Zug auf den Heimweg zu machen.

Von zuhause aus gibt es dann noch die Möglichkeit im digitalen Festivalzentrum herumzustöbern: In Sarahs Stücke Ecke auf Discord wurde zum entspannten Ausklang des ersten Festivaltages Sergej Gößners „Der fabelhafte Die“ gelesen.