Tag 1: Mittwoch

Willkommen, bienvenue, welcome! Das diesjährige Gastgeberhaus Theater an der Ruhr ist gut vorbereitet. Es regnet, aber die Stimmung ist gut: Nach und nach treffen die Jugendclubs ein und der Stationenlauf beginnt. Jeder Club hat eine Aktion vorbereitet, um den Einstieg ins Festival zu versüßen: Wir alle bekommen Buttons mit unserem Namen und ein T-Shirt mit dem UnruhR-R. 

An einer Fotostation können die Teilnehmer*innen auch Polaroid-Erinnerungsfotos schießen lassen: Mit einigen glitzernden Hasenohren und aufgeblasenen Hanteln dekoriert, entstehen Bilder von neuen und alten Freund*innen.

Am Tarot-Tisch wird über die nahe und ferne Zukunft geredet, während in der Let’s-Talk-Ecke alternative Namen besprochen werden: Joy, Wilma, Rina? Am nächsten Tisch werden sich die Hände schmutzig gemacht: Mit Blumenerde, Katzenstreu und Blumensamen werden Saatbomben gebaut, die in den kommenden Tagen im Ruhrgebiet verstreut werden können. Draußen geht es darum, was utopisch und was dystopisch ist: Wo positionierst du dich? Und gleich daneben werden neue Warm-Up-Spiele gelernt.

Und schneller als gedacht kommen dann alle im Zuschauerraum zusammen. Was wäre eine Eröffnung ohne Reden? Alex Weinstock, ein Dramaturg vom Theater an der Ruhr, und Jonas Girod, ein Spieler aus dem Labor I, begrüßen uns ganz herzlich. Aus dem letzten Jahr haben sie die Zeitkapsel des UnruhRgebiets mitgebracht, in der die Teilnehmer*innen kleine und große Glücksmomente des Festivals gesammelt haben. Jede*r Redner*in zieht daraus ein Zettelchen und reagiert darauf spontan. Anschließend betritt Sven Schlöttke vom Theater an der Ruhr die Bühne: Er erinnert sich gern an die vergangenen Festivals – auch weil ein guter Teil seiner Kolleg*innen im Haus selbst mal Teil des UnruhR waren. Die Sozial- und Kulturdezernentin Dr. Daniele Growe erklärt dann, was ihren Beruf ausmacht (z.B. das beständige Engagement in der Politik, um Kultur-Orte und Kultur-Schaffende zu erhalten und angemessen zu bezahlen) und wünscht uns ein schönes Festival – Theater, Musik und Kunst sind schließlich unersetzlich. Festivalleitung Josephine Raschke und Theaterpädagogin Sarah Kranenpoot informieren uns weiterhin über den Ablauf des Festivals und geben uns einige andere Infos: In unserem Festivalbeutel war z.B. eine sehr große Sicherheitsnadel, an der wir im Laufe der vier Tage kleine Anhänger sammeln werden. Nach jedem Stück bekommt man für den Besuch einen thematisch passenden Charm. Zum Schluss heizen dann nochmal Merriell Woods, Anouk Heck und Knut Kolckmann vom UnruhRgebiet ein: Mit einer Dezibel-App wird gecheckt, welcher Club sich am lautesten auf das Festival freut. Anschließend verlassen wir nochmal kurz den Saal, um dem Labor II Zeit für die letzten Vorbereitungen zu geben.

“Let them hear chaos” ist eine Performance mit Texten von Kae Tempest. Die Spieler*innen vom Labor II bringen ein chaotisch-hypnotisches Musikvideo auf die Bühne. Die Texte von Kae Tempest werden chorisch gesungen, gequakt, geflüstert und geloopt. Das Publikum surft in den Lyrics, den Sounds und Choreographien mit. Ohne anklagend zu sein, werden die emotionalen Höhen und Tiefen gezeigt, die zu einem Leben mit Klimawandel, Krieg, Internet und Erwachsenwerden dazugehören. 

Zum Nachgespräch wurden die Jugendclubs dann durchmischt: In Kleingruppen werden die ersten Eindrücke ausgetauscht und Fragen an die Künstler*innen gesammelt. Auf Zettelchen werden die Highlights gesammelt und den Clubs geschenkt. Im Plenum betritt das Ensemble nochmal die Bühne, um von der Probenarbeit zu berichten und Gedanken mit dem Publikum zu teilen. Mit dem Labor II wird darüber geredet, wie toll ihre Energie auf der Bühne war und sie werden gefragt, wie dieses spürbare gegenseitige Vertrauen der Spieler*innen entstanden ist.

Danach gibt es das heiß ersehnte Abendessen: Die Wohnküche serviert Chili sin Carne mit einer Limonade der Wahl. Guten Appetit!

Bei der Performance “Fühlt sich an wie Treibsand” vom UnruhRgebiet beobachten wir dann zwei Spielerinnen, die sich auf verschiedenste Arten näher kommen und distanzieren: Mal als Vater/Kind, mal als getrenntes Pärchen, dann wieder als Freund*innen versuchen sie, ihre Beziehung zu erhalten – was hält Menschen zusammen? Aus wie vielen Whatsapp-Nachrichten besteht eine Freundschaft? Lässt sich eine zerrissene Beziehung durch Klebeband wieder kitten? Mit selbst geschriebenen Texten, selbst choreographierten Tänzen und selbst komponierten Soundcollagen zeigt das UnruhRgebiet uns eine sehr persönliche Performance. Danke, dass ihr das mit uns teilt!

Im Nachgespräch dazu wird dann lebhaft über die verschiedenen Rollen diskutiert: Wann waren die Spielerinnen Vater und Kind und wann nicht mehr? Muss es eine klare Lesart der Rollen geben? Die Teilnehmer*innen tauschen sich rege aus – auch über das Format UnruhRgebiet an sich: Woher nehmen die fünf Teilnehmer*innen die Motivation für ihre Arbeit? Beim UnruhRgebiet darf jede*r alle Positionen ausprobieren: Wer möchte schreiben, wer spielen, wer inszenieren? Die einzige Gruppe, die ohne zuständiges Haus operiert, kann man nur für ihren Tatendrang bewundern – wir freuen uns, sie in den kommenden Jahren immer wieder beim UnruhR Festival zu sehen. 

Und das war unser erster Tag – wie schön! Und jetzt ab ins Bett, um Kraft für morgen zu tanken!