Archives Mai 2024

Tag 4: Samstag

Der Samstag beginnt im sonnigen Innenhof des Theater Oberhausen. Wir warten darauf, dass die Stadtbühne 2 mit den Vorbereitungen für ihre Werkschau von „Und wenn sie nicht gestorben ist, dann feiert sie noch heute“ fertig ist. Und auf der Bühne beginnt dann die WG-Party, in der alle Klassiker von Partys passieren: Flirts, mal mehr, mal weniger deepe Gespräche, Trinkspiele, Beziehungskonflikte aller Art. Einige Szenen müssen noch gesprungen werden, doch es ist schon sehr viel spannendes und lustiges da. Bis zur Premiere haben die Spieler*innen noch ein bisschen Zeit — am 18. und 19. Juni um 19.30 sind dann ihre Vorstellungen. Im Nachgespräch werden wir immer wieder dahin eingeladen — wie sollen wir denn sonst herausfinden, wie die Party zu Ende gehen wird?

Anschließend geht es entspannt zu den Probebühnen des Theater an der Ruhr: Dort gibt es Mittagessen und gleich danach eine weitere Werkschau: Das Labor I spielt „Süßes statt Saures“ und es wird erstmal richtig gruselig. Geister, Vampire, seltsame Zwillinge und mörderische Witwen freuen sich auf Halloween. Und v.a. darauf mal wieder Leute zu erschrecken – das erste Opfer ist das UnruhR-Publikum, das vor Schreck kreischt, aber auch kichert. Aber wollen denn wirklich alle gruselig sein? Oder ist eine herzliche Umarmung nicht manchmal die bessere Wahl? Die Antwort darauf gibt es dann erst bei der Premiere im November 2024.

Dann wird fix umgebaut: Der zweite Teil des UnruhRgebiets zeigt „Auf dem Weg in dein Herz“. Mithilfe von Schattenspiel und klassischem Schauspiel wird eine rührende Geschichte erzählt, die das Publikum sehr mitnimmt. Man hofft so sehr darauf, dass das süße Paar nach gemeinsamen Busfahrten und ausgestandenen Problemen zueinander findet — sagen wir so: Es war ein sehr tränenreiches Ende, wofür im Nachgespräch lange die richtigen Worte gesucht werden.

Im Hof der Probebühnen des Theater an der Ruhr bildet sich dann eine lange Schlange für das Abendessen. Gut gesättigt geht es dann nochmal auf die Bühne: Die Gewinnerin des Quiz wird mit einer letzten Schätz-Frage ermittelt und mit einem Rätselraum-Spiel beschenkt. Dann bedanken sich die Theaterpädagog*innen nochmal bei der Produktionsleitung Tamó Gvenetadze für ihre fantastische Arbeit! DJ Klitkat legt auf, um die Tanzfläche zu eröffnen. Dort wird dann noch lange getanzt und gelacht – bis wieder alle nach hause finden und das UnruhR Festival 2024 endgültig vorbei ist! Vielen Dank an alle, die dabei waren und an alle, die dieses schöne Festival ermöglicht ­haben!

Tag 3: Freitag

Der Freitag beginnt später als geplant: Der Vortrag „Über Bühnen- und Tellerrand hinaus – Positioniertheit, (Selbst)Reflexion und politische Prozesse des Theatermachens“ muss krankheitsbedingt leider entfallen. Daher beginnen wir später am Tag (und dafür sehr ausgeschlafen) im Innenhof des Theater Duisburg mit dem Mittagessen. Gut gestärkt geht es dann in den Zuschauerraum.

Der Spieltrieb Duisburg hat die Performance „­WURZELN“ entwickelt. In ihrer Stückentwicklung haben sich die Spielerinnen mit den unterschiedlichsten Formen des Wurzeln habens und Wurzelns ziehens beschäftigt: Wie geht es eigentlich dem Moos damit, wie es wächst? Es wird musikalisch, verspielt, wild und wunderschön. Während uns Wurzeln einerseits an so mancher Stelle festhalten, von der wir loskommen wollen, geben sie uns andererseits auch Stabilität und Halt. Wir brauchen sie, um zu wachsen, wachsen, wachsen – wie uns auch der Spieltrieb als Chor zum Schluss nochmal erinnert. Im Nachgespräch erfahren wir, wie lange die Spielerinnen an den Texten und Musiken herumgewerkelt haben.

Erneut geht es dann in die geheime Außenspielstätte des UnruhR Festivals: Die deutsche Bahn. Mit unterschiedlichen Mengen an Verspätungen kommen wir in Essen an, wo wir in der Kantine mit dem Abendessen in Empfang genommen werden.

Die Positronen zeigen uns ihre Performance ­„Outsanity“. Bei den vielen, vielen Spieler*innen der Positronen hat eine künstliche Intelligenz die Steuerung übernommen und erstellt virtuell alles, was für ein Theatercamp vonnöten ist. Dadurch kriegen wir in einer Performance gleich mehrere Theaterklassiker erzählt: Woyzeck, Faust, die Bremer Stadtmusikanten und Romeo und Julia wird von den Positronen modern und abwechslungsreich erzählt: Obwohl es zunächst chaotisch wirkt, erkennt man nach und nach eine Ordnung und eigene Ästhetik.

Das Nachgespräch ist erneut von vielerlei Interessen und neugierigen Fragen geprägt. Wer dann noch will, kann wieder in die Kantine des Schauspiel Essen zurückkehren — alle anderen machen sich auf den Heimweg.

Tag 2: Donnerstag

Der Donnerstag beginnt im KJT Dortmund mit den Workshops. Die kleinen und größeren Gruppen verteilen sich in den Räumen und auf dem Innenhof des Theaters: Die Tische und Materialien liegen schon ­bereit!

Bei Rika Sakalak im Dramaturgie-Workshop „How to not just stay calm“ geht es um Widerstand. Was versteht man darunter überhaupt und was hat das mit Theater zu tun? Wie kann Widerstand gegen Regieanweisungen ausgedrückt werden? Gibt es widerständige Texte? Und Widerstand gegen die Hierarchien im Theater sei natürlich auch nicht vergessen. Beim „Raumwerkstatt“-Workshop mit Anna Wörl geht es um Bühnenbilder und die Gruppe baut ein Über-Bühnenbildmodell. Was muss da sein, damit alle UnruhR-Stücke darauf gezeigt werden könnten? Und Glitzer darf dabei auf gar keinen Fall fehlen! Beim Streetdance-Workshop mit Dana Zaidan wird die klassische Bühnensituation aufgebrochen und alle Tänzerinnen stehen im Quadrat: In der Mitte wird dann geflattert wie ein Schmetterling oder man klebt plötzlich am Boden fest. Hendrik Michalski hat beim „Modern Akrobatik Fusion“ eine schweißtreibende Choreographie mitgebracht, die die Teilnehmenden innerhalb kurzer Zeit lernen. Im Workshop „Regie – die Kunst der Kommunikation“ mit Damira Schumacher spielen die Teilnehmerinnen sich gegenseitig Emotionen und kurze Szenen vor, um dann zu üben, wie man jemand anderen vermittelt, wie etwas gespielt werden soll. Im Keller des KJT wird dann aufgelegt. Dana, alias Klitkat, lässt die Teilnehmerinnen erstmal Songs raussuchen, die ihnen gefallen: Und von neuer deutscher Welle bis Metal ist alles dabei! Am Pult wird dann aufgelegt und gemixt. Die Schauspielerin Johanna Wieking schickt die Teilnehmerinnen zunächst in die Einzelarbeit: Sie entwickeln mit kurzen Notizen die Hintergründe und Eigenschaften ihrer Figuren, die sie sich in Soli vorspielen und Feedback geben.
Dann wandern wird für das Showing von Raum zu Raum: Zum Mix des DJ-Workshops wird getanzt, die Choreographien der Akrobatik und der Streetdance-Gruppen werden begeistert beklatscht. Auch aus den anderen Workshops wird berichtet und alle neugierigen Fragen werden beantwortet.

In der „Ausbreitungszone“ des Jugendclubs vom KJT Dortmund begeben wir uns in die Natur und in mögliche Zukunftsperspektiven: Was wäre, wenn wir der städtischen, digitalen, alltäglichen Welt den Rücken kehren? Ist unsere Zukunft im Wald sicherer? Sinnvoller? In poetischen Texten, Choreographien und Szenen nehmen uns die Spielerinnen mit in eine andere und doch ganz diesseitige Welt. Im Nachgespräch erzählen uns die Spielerinnen von ihrem Weg hin zur Performance.

Dann ziehen wir um ins Schauspiel Dortmund: Dort erwartet uns schon die Wohnküche mit unserem Abendessen. Die Spielerinnen des Jugendclub 16plus legen sich dort schon mal für ein Nickerchen hin, um das Publikum dann mit ins Theater zu nehmen. Ihr Stück „INSOMNIA – Wenn meine Gedanken Pyjamaparty machen“ beruhigt uns dann, damit wir danach entspannt schlafen gehen können. Ein Gesangsduett wird sogar mit Szenenapplaus bedacht. Die Spielerinnen haben sich mit den Sachen beschäftigt, die uns vom Schlaf abhalten, uns dabei helfen sollen und was passiert, wenn wir es dann endlich geschafft haben einzuschlafen: Geht vielleicht der Streit mit der Schwester im Traum einfach noch dramatischer weiter?
Zum Nachgespräch geht es in den Theaterkeller, in dem der Jugendclub nach seiner Arbeitsweise befragt wird und danach, wie welche der Texte entstanden sind. Und so geht Tag 2 zu Ende — Halbzeit!

Tag 1: Mittwoch

Hurra! UnruhR 2024 beginnt mit einem ganz entspannten WalkIn. Dabei können die Teilnehmer*innen sich Namensbuttons herstellen lassen und stehen eine Weile in der Schlange, um sich ihre UnruhR-Hoodies abzuholen. Die kuscheligen Hoodies werden direkt angezogen oder um die Hüften geknotet.

Auf der Bühne werden dann kurz-knackige Eröffnungsreden gehalten. Sabrina Klose, eine Dramaturgin des Westfälischen Landestheaters freut sich, dass ihr Theater in diesem Gastgeber ist und dass so viele theaterbegeisterte junge Menschen in Castrop-Rauxel zu Besuch sind.

Die Produktionsleitung Tamó Gvenetadze lässt das Publikum aufjubeln: Wo sind die Positronen? – Woohooo! Wo sind die Dortmunder*innen? – Woohoo! Wo sind die Mülheimer*innen? Woohoo! Am wichtigsten ist es der Produktionsleitung zu sagen, dass wir alle in den kommenden Tagen einen achtsamen und wertschätzenden Umgang miteinander pflegen: Es ist mutig sich mit seiner künstlerischen Arbeit auf der Bühne zu zeigen und daher ist es umso wichtiger diesen Mut anzuerkennen. Die Theaterpädagogin Katharina Böhrke erklärt dann das diesjährige Awareness-Konzept und stellt das heutige A(wareness)-Team vor: Sarah Jasinszczak und Franz Hoffmann, beide sind Theaterpädagoginnen aus Dortmund.

Und dann geht endlich das erste Stück los: Das UnruhRgebiet zeigt „Wie ist: Abhängigkeit?“ Und dabei ist alles selbstgemacht – außer die Möbel. Selbstgeschriebene, teils autobiographische Texte werden aus den unterschiedlichsten Notizbüchern rezitiert. Vor allem für Abhängigkeitsverhältnisse in zwischenmenschlichen Beziehungen haben sich die UnruhRgebietler*innen interessiert. Warum schwanken Whatsappnachrichten so schnell zwischen toxisch und maßlos liebevoll hin und her? Wie sehr macht man sich von der Liebe (und seien es auch nur 4mg!) abhängig? Aber auch lustig geht es auf der Bühne zu: Bei einer Versteigerung kann das Publikum eine neue Sucht erwerben – aber nur im Austausch gegen den Entzug eines geliebten Suchtmittels: Wer ist bereit die Zigaretten aufzugeben, um Schokolade genießen zu dürfen?

Beim Nachgespräch wird das Kunstkollektiv dann befragt und darf vom Werdegang der szenischen Lesung erzählen: Es war ja eigentlich etwas anderes geplant, aber vor gerade einmal vier Wochen wurde sich dann für eine szenische Lesung zum Thema Abhängigkeit entschieden.

Anschließend geht es kurz an die frische Luft: Die Wohnküche erwartet das Festivalpublikum mit einem köstlichen Chili sin carne.

Zurück im Theater zeigt der Jugendclub des Westfälischen Landestheaters die Werkschau ihres Stücks „Styx“. Inspiriert vom Stück „Tybalt“ haben die Spieler*innen ihre Figuren an den mythischen Fluss Styx geschickt, um von ihrem Leben Abschied zu nehmen. Allesamt sind die eine Hälfte berühmter Paare: Romeo, Medea, Dornröschen, Marie und viele weitere beschäftigen sich mit ihrem Ableben. Was bereuen sie an ihren Leben? Kann man aus Liebe töten? Kann man Männer überhaupt vermissen? Erst am 21. Juni feiert der Jugendclub mit diesem Stück Premiere und kann schon jetzt einen kompletten Durchlauf spielen. Wir wünschen Ihnen alles Gute für ihre Premiere!

In Kleingruppen wird dann wieder über das Stück gesprochen: Wurden alle Figuren wiedererkannt? Was hatte es mit der Abschlussszene auf sich? In Plenum wird das dann geklärt – und auch, welche andere Rolle aus dem Stück die Spieler*innen gerne mal ausprobieren würden.

Und so ist der erste Festivaltag auch schon vorbei und alle machen sich auf den Heimweg.